Bang Bu Lu

  

Eine zeitkritische Begebenheit unserer Zeit, geschehen in einer Ecke dieser Welt, in der Zivilisation und 3. Welt aufeinanderprallen; niedergeschrieben von

Colin Vaupel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorwort. 

Diese Geschichte habe ich gleich nach der Scheidung von meiner Frau Brigitte geschrieben. Das ist aber nicht von Bedeutung, weder für die Geschichte noch für Sie als Leser.

 

Vielleicht war es für mich mal wichtig, ich weiß es heute, da ich meine Gedanken von damals überarbeite, auch nicht mehr.

Ich selbst bin heute 47 Jahre alt und schaue auf Worte zurück, die ich vor ca. 20 Jahren geschrieben habe. Ich war nie im Urwald, hatte niemals einen Schwarzen zum Freund; aber Karl May kannte ja auch keinen richtigen Indianer :-).

Beim Durchstöbern meiner alten "Geschichten" habe ich eben auch die von "Bang Bu Lu" wieder gefunden und lange Zeit darüber nachdenken müssen.

Sie hat, glaube ich, nichts an Aktualität verloren

 Colin-Aleksander Vaupel am Montag, 20. September 1993.
 

 

Die Sonne war lange schon untergegangen.

Bang Bu Lu machte seinen letzten Rundgang durch das Grenzgebiet des Naturschutzparks, als er das Brummen eines Flugzeuges hörte. Es war an und für sich nichts Verwunderliches um diese Zeit und hier im Urwald ein Flugzeug zu hören, aber die Geräusche dieser Maschine hörten sich irgendwie ganz fremdartig an.

Bang Bu Lu war nie zur Schule gegangen, hatte auch noch nie in einem Flugzeug gesessen, aber sein von der Natur geschultes Ohr sagte ihm: Hier kann etwas nicht in Ordnung sein.

Und in der Tat, es war etwas nicht in Ordnung.

Sekunden nachdem Bang Bu Lu seinen Gedanken zu Ende  gedacht hatte, war es auch schon geschehen:

Eine gewaltige Explosion ließ den Urwald wieder erwachen. Bang Bu Lu warf sich sofort instinktiv zur Erde. Die Maschine zerschellte, Bäume mit sich reißend am dichten Urwaldboden. Dann war es so still wie zuvor. 

Bang Bu Lu erhob sich langsam wieder. Er war ein nach unseren Begriffen bestimmt sehr einfacher, ja einfältiger Mensch, aber er wusste, dass er hier etwas tun musste, er wusste, dass in diesem großen metallenen Vogel Menschen gewesen sein mussten, ihm war klar, dass jetzt seine Hilfe benötigt wurde.

Mit der den Eingeborenen eigenen Angst vor allem Fremden pirschte er sich dennoch relativ schnell in die Nähe des abgestürzten Flugzeuges.

Es war nicht sehr viel davon übrig geblieben. Es war zerschellt und würde wohl auch nie wieder, nicht einmal teilweise, als solches eingesetzt werden können. Einige Teile würden sich wohl in den Hütten der Eingeborenen als Götzen wieder finden.

Dieses Chaos beobachtend, erschien es Bang Bu Lu verwunderlich, dass da noch Leben sein sollte. Aber, ja, in den Trümmern sah er , das sich etwas bewegte.

Ängstlich, wie ein scheues Tier, näherte er sich den Überresten an der Absturzstelle und erkannte zwei Menschen, die sich, von den Trümmern eingezwängt, ins Freie zu retten versuchten.

 

Jetzt, da Bang Bu Lu sah, dass das was sich dort bewegte, Menschen waren, die Hilfe benötigten, verlor er alle Angst und rannte auf die zwei Gestalten zu. Er räumte, ohne darauf zu achten, dass er sich die Hände verbrannte, einige Metallteile zur Seite und zog dann vorsichtig die Beiden weißen Männer aus ihrem stählernen, brennenden Gefängnis.

Bang Bu Lu zog die beiden Opfer weit genug fort von der Flugmaschine. Die Frage, warum er das tat, ob aus Angst vor dem Flugzeug selbst, oder aus Angst vor einem weiteren großen Feuerknall, weiß heute niemand mehr zu beantworten. Bang Bu Lu selbst kann das auch nicht mehr.

Kaum dass er die beiden Menschen aus der Gefahrenzone gebracht hatte, ertönte eine weitere Explosion und riß Bang Bu Lu hoch in die Luft. Er spürte wahrscheinlich nur noch einen kurzen Schmerz, dann war Bangbulu tot.

Inspektor Melton, Leiter der Schutztruppen des Wildparks sah von seinem Hochsitz aus, wie das Flugzeug ins Trudeln kam, sah die erste Explosion und sah den Absturz.

Er kletterte sofort die 48 Sprossen seiner Hochsitzleiter hinunter, sprang in seinen Jeep und war Minuten später an der Absturzstelle. Dort angekommen, sah er gerade noch wie Bang Bu Lu in die Luft gehoben wurde, auf die Erde des moosigen Urwaldbodens zurückfiel und tot liegen blieb.

Mit den beiden Bordfeuerlöschern seines Jeeps löschte er die brennenden Trümmerteile und konnte so gerade noch einen Urwaldbrand verhindern. Dann kümmerte sich Inspektor Melton um die beiden Verletzten.

Sie waren ungefähr 25 bis 26 Jahre alt, beide von großer, kräftiger Statur. Zwei abenteuerlustige junge Männer, deren Leben hier bald zu Ende gewesen wäre. Für einen von den beiden wäre es vielleicht sogar besser gewesen. Die Ärzte in der 100 Meilen entfernt gelegenen Klinik konnten zwar sein Leben retten, nicht aber sein Augenlicht und Gehör.

Einer von den Beiden würde nie wieder die Schönheiten des Lebens erblicken können, würde nie wieder seinen Namen rufen hören.
 

Ungefähr 8 Monate später. Im Salon der Villa von Direktor Harmsen brannte spärliches Licht.

DER Herr des Hauses rollte schon zum wiederholten Male den alten schäbigen Rollstuhl von einer Ecke in die andere. Man sollte annehmen, er würde dies etwas liebevoller tun. Aber warum auch? In dem Stuhl saß ja nur sein tauber und blinder Sohn, der sowieso zu nichts mehr zu Nutze war, als dass man ihn von einer Ecke in die andere schieben konnte:

Charles Harmsen, vor 8 1/2  Monaten mit dem Flugzeug im Busch abgestürzt. Heute blind und taub, eben zu Nichts mehr zu gebrauchen.

Der alte Harmsen  selbst war nie von den Ambitionen seines Sohnes begeistert gewesen. Anstatt ihn in der Weltgeschichte herumfliegen zu sehen, hätte der Senior es lieber gehabt, wenn sein Sohn sich etwas mehr für die Firma interessiert hätte. Und richtig, sagte er sich, was hatte die Fliegerei schon eingebracht? Anstatt dass sein Sohn eine leitende Position in der Schuhfabrik hätte einnehmen können, mußte Harmsen Senior einen teuren Mann auf diesen Posten setzen; und außerdem noch eine Menge Geld für seinen nichtsnutzigen Sohn ausgeben.

Auch Jenny, die Exverlobte von Charles hatte nicht mehr viel im Sinn für ihren Charlyboy, wie sie ihn früher immer liebevoll genannt hatte. Es geschah immer seltener, dass sie ihn einmal durch den nahe gelegenen familieneigenen Park führte.

Charles saß in der Ecke, zu nichts aber zu rein gar nichts zu gebrauchen; dachte man. Die Familie, die Freunde des Hauses, das Personal, die Gäste ließen sich über Charles aus, wie über ein Möbelstück, bei dem man ständig am überlegen war, ob es in der Ecke nicht besser aussehen würde als in der anderen.

Auch wenn Charles einmal den Wunsch äußerte etwas essen oder trinken zu wollen, kam man seinem Wunsch zwar nach, aber man knallte ihm die Sachen auf ein Tablett das neben ihm stand, wie einem Hund, dem man einen Knochen in die Ecke wirft.

Man war so gleichgültig ihm gegenüber, wie nur ein Mensch in der heutigen Zeit irgend jemandem oder irgend etwas gegenüber gleichgültig sein kann.

Es scheint den Menschen zu gut zu gehen. Wir haben alles was wir brauchen. Bang Bu Lu, der sein Leben opferte, hatte da der zivilisierten Menschheit bestimmt etwas voraus.

Er hatte angst gehabt vor dem großen fremden metallenen Vogel, der da vom Himmel gefallen war, aber er wusste, dass man seine Hilfe benötigte.

Bang Bu Lu war nie verwöhnt worden vom Leben. er, ein Wilder, sah aber noch, wo Hilfe benötigt wurde. Unsere zivilisierte Welt hingegen scheint da leider anders zu sein. Ihr muss, wie es scheint, wieder einmal vor Augen geführt werden, wie es anders, besser zu machen ist. Ihr, unserer Welt müssen wieder einmal die Augen geöffnet werden.

Auch den Harmsens, all ihren Freunde, all ihren Bekannte und Bediensteten wurden dann irgendwann ganz plötzlich die Augen ganz weit geöffnet.
 

Monate später ...

 

Eines Tages, man hatte ihn gerade wieder einmal von einer Ecke in die Andere geschoben, und natürlich auch wieder lästerliche Bemerkungen über seine körperlichen Gebrechen gemacht, eines Tages jedenfalls, da nahm Charles Harmsen seine Blindenbrille von den Augen, sah sich einmal kurz in der Runde um, nahm ein Bild seines Freundes aus der Tasche seiner Strickjacke, betrachtete es und sagte zu sich selbst:

"Armer Tommy, du kannst nichts sehen und nichts hören; vielleicht ist das aber ganz gut für Dich; es würde schrecklich für Dich sein, wenn Du fühlen könntest wie störend Du der Gesellschaft geworden bist. Es muß schrecklich sein, blind und taub zu sein. Wirst auch Du nur wie ein Möbel, wie ein Stück Dreck von einer Ecke in die andere geschoben?

 Ich glaube, es wird Zeit, dass ich Dich endlich einmal besuche. - Vater, hättest Du etwas dagegen, wenn ich heute einmal Deine Wagen benutze?

 

 

 

 

 

 

 

 

ENDE ? ! ?