In der Kneipe . . .
...geh ich eben
hin, besoffen, wie ich bin...
Sie sitzen in ihrer Kneipe, in ihrer Stammkneipe.
Wissen sie warum? Ist es der Alkohol der ruft? den könnten sie doch
auch zu Hause trinken - da wäre er sogar noch billiger.
Nee, der Alkohol ist es sicherlich nicht, da trinkt
ja gerade eine ein Glas Apfelsaft. Vielleicht ist es doch der Alkohol, nur,
dass diese Frau im Moment keinen trinkt, weil sie ein Baby bekommt.
Na ja, jedenfalls sind sie da.
Ich auch. Ich auch – und ich höre zu – beobachte.
Sie reden über die tollen Sachen, die sie in der
letzten Zeit so gemacht haben.
Sie sind großartig. Sie sind
einfach großartig, diese Leute.
Eine Frau stieß gerade zu einer Gruppe von
Kneipenmenschen, (Stieß - wie das klingt) jedenfalls stieß sie dazu und, man
sollte es nicht für möglich halten, sofort versuchte sie sich in den
Mittelpunkt zu drängeln. „Bla
bla bla“ und noch mal „bla.“ Ich
frage mich, wieso tut sie das? Das hätte sie doch gar nicht nötig.
Jedenfalls bei mir nicht.
Ich würde sie gerne einladen auf ein Glas - bei mir zu Hause.
Ich bin allein, verdammt allein und einsam.
Ich würde gerne schlafen mit ihr.
Scheiße, schon ist sie im Mittelpunkt.
Ich habe keine Chance mehr sie in den Bann meiner grünen Augen zu
ziehen.
Immerhin, ihre Zigaretten, so lange Dinger mit
Goldfilter, holt sie selber.
Gibt es keine Kavaliere mehr?
Das Fräulein vom Dienst gibt sich Mühe,
wird aber offiziell nicht beachtet.
Sicherlich möchte der eine oder andere mal mit ihr.
Sicherlich der andere.
Ich nicht. Nicht mehr.
Ich hatte schon das Vergnügen.
Vergnügen?
Zwei Tische weiter eine Nette.
Die Haare streng gescheitelt sieht sie dennoch ganz lieb aus.
Bittender Gesichtsausdruck: Ich bin lieb, hab' mich auch lieb.
Sie bemerkt meinen Gesichtsausdruck nicht: Ich bin lieb, hab' mich
auch lieb. Leider.
Bleib' ich halt allein.
"Fräulein!" Quatsch, ich bin ja per Du mit Gaby
(Wegen der Nacht mit ihr).
"Gaby, sei lieb und bring' mir noch ein kleines Helles (Preuenmaß), Schnelles für'n
Heimweg. " "Bitte. " "Danke. "
Hinten in der Ecke ein älterer Herr.
Blaues Hemd, graue Jacke, graues Haar, Hose kann ich nicht sehen,
sicherlich aber auch grau.
(Erinnert mich an Herrn Koschel, ein sehr lieber älterer Kollege aus der
Firma) Wahrscheinlich ist er Rentner.
Vielleicht trauert er ein bisschen seiner Jugend nach.
Ob er noch bemerkt wird? Will er noch bemerkt werden? Oder
interessiert er sich nur noch für sein Weinglas.
Möglicher Weise unterliegt er aber der uralten
Arroganz: Was bilden sich diese jungen Hupfer denn nur ein? Ich weiß es
besser. Zwei Weltkriege,
Gefangen-schaft in Russland . . .
Vielleicht ist er aber auch gar nicht einsam.
Was weiß denn ich schon.
Der Stammtisch ist heute leer.
Bis auf die ältere, die den Jüngeren zu sich gebeten hatte und sich
dann doch zu ihm gesetzt hat, wegen des verschütteten Bieres.
Ja der Stammtisch.
Einmal, Mittags, es war kein anderer Platz mehr frei und so bat mich
die Wirtin doch am Stammtisch Platz zu nehmen.
"Grüß Gott" sage ich höflich.
Als Antwort ein Murmeln, was wohl so viel heißen sollte, was will
denn der hier, was hat der denn hier verloren.
na ja.
Frau Wichtig (Die Mittelpunkt-Lady) ist gerade auf Tö
gegangen. Umweg.
Nur nicht an mir vorbei.
Mal sehen, welchen Weg sie wählt, wenn sie fertig ist, ich meine, wenn sie
zurück kommt. Den an meinem
Tisch vorbei? Vielleicht kann ich sie doch noch mit meinem liebsten Lächeln auf mich aufmerksam
machen. Mal sehen.
Tatsächlich. Sie kommt
bei mir vorbei.
Klar, der Zigarettenautomat steht ja neben meinem
Tisch. Mein liebstes Lächeln?
Sie bemerkt es nicht.
Heinz fällt mir gerade ein. Er wirkt mal wieder wie der Chef. Ist er aber gar nicht. Er ist "nur" der Kalfaktor. Na ja, um 23. 00 Uhr wird er wieder fröhlich lachenr. Da darf er wieder Skat spielen. Eigentlich interessant, ein Bayer, der Skat spielt. Passt mir gut, habe nämlich keine hnungf auf Schafkopfen (Määäh)
Die Putzfrau wieselt gerade um die Ecke, rote vom
Lockenstab ausgebrannte Haare, knallrote Lippen, als wäre sie aus einem englischen
Horrorkrimi entsprungen. Arme
Frau. Warum? Ich weiß es doch nicht.
Ich glaube, ich werde Petra kurz anrufen.
Muss noch einen Augenblick warten, ein großer schwarzer Hund hat sich
gerade auf meinen Fuß gesetzt.
Er wartet auf seine Streicheleinheiten, ja, auch ein großer Hund benötigt seine Streicheleinheiten.
Und wer streichelt mich? Ach so, Petra, Petra ist meine Nachbarin. Tolle Frau.
10 Minuten später . . .
Habe angerufen.
Sie liegt schon im Bett.
Ich habe auch schon mal darin gelegen. Tolle Frau; aber ein wenig egoistisch, nimmt gerne.
Nun gut, irgendwann mal wieder.
Eigenartig, Doris fällt mir gerade ein.
Ich habe sie in der Klinik kennengelernt.
Ich möchte ein Baby von ihr haben. Das klingt komisch? Finde ich erhaupt nicht.
Erstens ist sie mir zu schade für ein Abenteuer und
zweitens, ich glaube, ich liebe sie.
Bin mir nicht sicher, ich wünsche es mir aber.
Mittelklein, Blond, süße Figur . . .
was erzähle ich denn da, das geht ja schließlich nur mich etwas an;
sie natürlich auch. Und ganz
davon abgesehen ist Figur und so was gar nicht so von Bedeutung, solange es
sich nicht um eine Mülltonne oder Bohnenstange handelt, aber geil sieht sie
schon aus meine kleine lolitahafte Doris.
Aber zurück zum Thema. Wo waren wir stehen geblieben? Ach so ja: nicht stehen - sondern
sitzengeblieben? Außer einmal in der Schule, o.k. jetzt hier in der Kneipe.
Nette Kneipe, schöne Kneipe, gute Kneipe, um es einmal in der Sprache
Gollum's, des drolligen Monsters aus Mittelerde, Heimat von Frodo, dem
Hobbit und Gandalf auszudrücken.
Der alte Herr, der mit dem blauen Hemd, dem grauen
Sakko und dem grauen Haar ist gegangen.
Ich hatte übrigens recht, er hatte tatsächlich eine graue Hose an.
Auch die dickbusige, erinnerte mich an Lucy aus Dallas, ist nicht
mehr da.
Eigentlich wollte ich, dass Edith hier ist. Aber sie
hatte ein Date, eine Verabredung. Vielleicht auch gut so, hätte ich doch sonst keine Zeit zum
Schreiben. Trotzdem wäre es
schön, wenn ich hier jetzt nicht allein wäre. Vielleicht sollte ich Edith II
anrufen, sie ist eine Freundin von Edith I.
In sie war ich zuerst verliebt.
Deshalb ist sie für mich auch Edith I, obwohl sie nun nicht mehr die
Nummer Eins für mich ist. Denn,
denn dann lernte ich Edith zwei kennen.
Ja und da war es plötzlich geschehen.
Aus bei Edith I (da bin ich ganz ehrlich, ganz
konsequent. ) und bei Edith II keine Chance zum Landeanflug.
Dabei, ja, dabei habe ich
sie wirklich geliebt, diese Edith II, aber sie konnte nicht.
Aus Rücksicht auf Edith I, ihre beste Freundin.
Und, wenn ich ehrlich bin, das finde ich richtig gut. Menschen, für die Freundschaft an erster stelle steht.
Ich werde vielleicht mal einen Schlagertext zu diesem
Thema schreiben
und ihn Peter Maffay anbieten.
Warum eigentlich nicht?!
Neue Menschen am Tisch gegenüber.
Glatzkopf mit Bart und blauer, schwarzbehaarter Windjackenbraut.
Immer ein wenig dümmlich, aber sicherlich ganz nett und ganz lieb.
Wie diese kleinen Dummerchen
halt sind.
Gif
Heinz läuft gerade ganz aufgeregt durch die
Räumlichkeiten, wartend, dass es endlich 23. 00 Uhr ist.
18 - 20 - passe. Einmal, da habe ich Skat mit ihm gespielt (Große Ehre am Stammtisch!)
Heinz wird gerne pampig, wenn es mal nicht so läuft, wie er sich das
vorstellt.
Rechts von mir ein neues Pärchen.
Er bestellt ein Weißbier, und das nach 12. 00 Uhr Mittags (Ganz schön
stillos, Preuße halt.) Wenigstens sie ist o. k.
A Holbe und Schweinswürsteln.
Moment mal . . . ich
versuche herauszubekommen, über was sie reden . . .
aha: über Andere. Na prima, mal
was anderes.
"Der da drüben hatte doch letztens diese unmögliche
weiße Jacke an." Die sollten sich mal selber
anschauen, diese Lästermäuler.
"Bla, bla, bla. . . „
Edith II fällt mir wieder ein.
Liebe ich sie? Aber was ist mir Doris? Ich glaube, ich fühle mich
einfach wieder mal nur einsam.
Die neuen Gäste, also die Lästermäuler, stellen gerade fest, dass
irgendwelche Bekannte von ihnen ganz nett sind.
Man müsste sich endlich mal für die Einladung auf die Jacht auf Ibiza
revanchieren.
Ich vermisse Karin heute, die Wirtin. Wahrscheinlich
ist sie einmal mehr im Jum, in die Schnapsflasche gefallen. Schade.
Im Sommer, an den Wochenenden macht sie mir immer
eine tolle Frühstücksstulle für meine Radltour. Manchmal, wenn ich zahlen will sagt sie auch: "Is scho guat. "
Vielleicht mag sie mich.
Leider aber ist sie schon ein bisschen zu alt für mich, ich meine für
ein Zusammenleben, könnte ja meine Mutter sein.
20 Jahre älter als ich, wo kommen wir denn da hin. Das wäre ja so, als wenn Doris 20 Jahre jünger wäre
als ich. Oh Gott - ist sie ja.
Habe Edith II noch mal angerufen, 10 Jahre jünger als
ich. Ich habe ihr einen
Heiratsantrag gemacht. Einfach
so. Vielleicht zu früh.
Ich denke an Doris. Edith
II hat übrigens nein gesagt. Wer
weiß, für was das gut ist. Wie
mag sie zu mir stehen? Doris ist ein Mädel, eine Frau, von der ich wünschte,
dass sie Mutter des einen oder anderen Kindes sein würde.
Vielleicht auch die Mutter aller Beider.
Edith II ? Vielleicht ist sie in Gedanken so etwas wie eine
Ersatzmutter für mich? Na ja . . .
Bestell mir bei Gaby noch ein Bier.
Das Pärchen rechts von mir spricht gerade über
jemanden, der eine Rolex am Arm, einen Brillanten im Ohrläppchen und zu viel
Gold in den Zähnen; und Geld hat.
Ganz doll.
Der Foxterrier war gerade bei mir, scheint beleidigt
zu sein, dass ich ihn nicht beachtet habe. Werde ihm beim nächsten Mal ein
paar Streicheleinheiten zusätzlich geben.
Skatrunde rechts von mir: "46 . " "Weg. " "Null. " "
Kontra. " "Re. " Gewonnen.
Edith, Doris, Nachbarin, Alleinsein, Bier trinken,
das sechste, Doris, Edith . . .
Warum gehen Menschen in die Kneipe???
"Gaby, zahlen bitte. "
"Is scho zahlt. "
"Wer? "
Die Coole war's, die, die unbedingt im Mittelpunkt
stehen wollte, die, die mich nicht beachtet hat, hat zahlt und a Adressen
für mich hinterlassen. Geh' ich
eben hin, besoffen wie ich bin.
Scheiß Kneipenleben.
Fortsetzung folgt. Vielleicht, irgendwo, irgenwann ...
Montag, 13. September 1993